JMStV-2011 – Das Ende des deutschen Internets?

Nun, ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen – wenn es denn überhaupt kommt. Allerdings kam gestern die Meldung durch, dass nun auch Nordrhein-Westfalen voraussichtlich dem neuen Jugend-Medien-Schutz Staatsvertrag zustimmen wird, obwohl die Grünen ja eigentlich dagegen stimmen wollten, aber sich offensichtlich dem Fraktionszwang unterwarfen. Völlig unverständlich und daher nur nachvollziehbar, dass heute Meldungen erscheinen, dass die Grünen jetzt doch noch die SPD anbetteln, über die Ablehnung nachzudenken.

Wie auch immer – wenn der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag durchgeht und verabschiedet wird, dürfte dies die Internetlandschaft – zumindest was deutsche Anbieter betrifft – grundlegend verändern. Denn es ist tatsächlich so, dass alle Anbieter von Internetinhalten, also im Prinzip jeder Blogger und Seitenbetreiber,  Ihre Contents auf Jugendgefährdung hin prüfen müssten, bzw. selbst klassifizieren (von 0 bis 18 Jahre…  juristisch ein Armageddon!).  Nachdem ja wohl fast jeder Inhalte hat, die nicht ab 0 Jahren freigegeben sein sollten – da reicht ein einfaches Bild vom Krieg – muss entweder ein Zugangsbeschränkungs-System nach Altersprüfung für seine Inhalte eingebaut werden, oder man läuft Gefahr, mit  hohen Strafen oder Abmahnkosten belegt zu werden.
Der eigentliche Witz an der Sache ist jedoch – es gibt bislang keine Software für ein solches Zugangsbeschränkungs-System.  Die beiden Alternativen dazu wären einmal eine zeitliche Beschränkung des Internetangebots (weil nachts keine Kinder im Netz surfen *andieStirnklatsch*) oder eine spezielle Markierung der Inhalte nach Altersstufe. Allerdings jeglichen Inhalts – aller Seiten, aller bisher veröffentlichten Seiten und Texte, etc. Dumm nur, dass es auch für diese Altersklassifikation keine geeignete Software, bzw. Kennzeichnung gibt.

Bisher.

Das alles ist aber nur ein Teil der neuen Vorschriften. Weiterhin gibt es die Auflage, im Impressum einen ständig verfügbaren Jugendschutzbeauftragten zu benennen (zumindest für gewerbliche Angebote – aber das ist ja auch der Fall, wenn man über Banner ein paar Cents verdient…) und noch einiges andere, auf das ich hier gar nicht näher eingehen möchte.

Das Ende des deutschen freien Internets, wie wir es bisher kennen?!

Durchaus möglich.  Es haben bereits einige große Blogs angekündigt, dass sie aufhören werden. Und spätestens nach der gestrigen Meldung, dass NRW vermutlich zustimmen wird, muss sich JEDER Blogger und Contentanbieter Gedanken darüber machen, ob und wie er weitermacht. Oder ob er alles löscht, was er bisher im Internet publiziert hat, ganz einfach um Abmahnungen und eventuelle Strafen zu vermeiden.

Einfach irre.

Und zur weiteren Information poste ich jetzt noch ein paar Links, denn wenn ich weiter über die Situation oder die Zukunft schreibe, wenn der JMStV am 01.01.2011 in Kraft treten sollte, dann muss ich mich einfach nur noch tierisch aufregen. Wer ist für diesen Schwachsinn eigentlich verantwortlich?

Weiterführende Links:

Lesepflicht für alle: 17 Fragen zum neuen JMStV
Dieser Artikel richtet sich an alle in Deutschland, die im Internet Inhalte anbieten. Seien es private Blogs oder große Social Networks. Sie alle müssen sich ab dem 1. Januar 2011 mit dem in Kraft tretenden neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) befassen.

Heise:  Blog macht wegen neuem Jugendschutzgesetz dicht

Der Pottblog bringt viele Meldungen zum Thema

FAQ -Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Anbieter (die am neuen Staatsvertrag sicherlich gut verdienen würden!)

Social Media Recht Blog

Der JMStV: Gesetzestext – Erläuterung – Begründung

Zum heutigen Zeitpunkt – nach dem heutigen Stand der Dinge –  kann man nur hoffen, dass sich doch noch jemand findet, der gegen den Staatsvertrag stimmt. Wir haben ansonsten eine völlig unklare Rechtslage sowie eine völlig unklare Kennzeichnungs-Situation, die mit Sicherheit von gerissenen Abmahnanwälten ausgenutzt werden wird, um richtig Kohle zu machen und die kleinen privaten Seitenbetreiber abzuzocken wo es nur geht.

Und dafür hat niemand von uns genug Geld über. Also doch das Ende?

Update – 02.12.2010

Nun gut, inzwischen wurde viel diskutiert, und ich muss mich wohl insofern revidieren, als dass die Alterskennzeichnung erst ab 12 erfolgen muss, und dass es einen Jugendschutzbeauftragten nur braucht, wenn man Inhalte ab 12 Jahren anbietet.

Dennoch bleibt die grundlegende Frage, ob das alles so machbar ist. Und die einhellige Meinung ist – nein.

Ich verlinke hier nochmal auf ein paar interessante Blogs zum Thema, die sich mit der rechtlichen Seite auseinandersetzen:

RA Udo Vetter mit einer Einschätzung:
Blogger können leidlich gelassen bleiben

Der Pottblog dazu: 
Warum Udo Vetter und Robert Basic sich in Sachen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV- und die Auswirkungen auf Blogs irren

Und auch Netzpolitik.org dazu und weiterführend
JMStV aus juristischer Sicht: Wer will nochmal, wer hat noch nicht?

 

Ausserdem:
Experiment zur Alterseinstufung von Webseiten
und warum Hundebilder von einer Tierheim-Webseite ab 18 sind.

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